Unterschiedliche Kulturen, aber viele Gemeinsamkeiten

Andreas Irmscher - Flüchtlingssozialarbeiter beim Diakonischen Werk

Andreas Irmscher – Flüchtlingssozialarbeiter beim Diakonischen Werk

Andreas Irmscher arbeitet im Bereich der Diakonie-Flüchtlingssozialarbeit. Er betreut Flüchtlingsfamilien im Bereich Taucha, Sprotta und Krostitz. Zum 1. Juli 2018 hatte er die Nachfolge für Janet Liebich angetreten, die seitdem ein “Netzwerk bürgerschaftliches Engagement” im Diakoniebereich Delitzsch/Eilenburg aufbaut. Andreas Irmscher ist studierter Sozialwissenschaftler – ihn fasziniert die Arbeit mit Menschen, weil sie sehr verschieden sein können, zugleich immer aber auch viele Gemeinsamkeiten haben. Bevor er sich beim Diakonischen Werk um die Stelle in Taucha bewarb, war er schon als Flüchtlingssozialarbeiter in Magdeburg und im Landkreis Wittenberg unterwegs. Zuletzt fungierte er als Integrationskoordinator im Landkreis Nordsachsen, Außenstelle Eilenburg.

Heute kümmert er sich um rund 120 Flüchtlinge, hauptsächlich Familien mit Kindern. Sie kommen in Taucha hauptsächlich aus Syrien und dem Irak, aber auch aus Afghanistan, Albanien, dem Libanon, Libyen, der Russischen Föderation und anderen Ländern. Die Familien sind zum Teil schon seit 2-3 Jahren in Deutschland und oft inzwischen auch der Sprache mächtig. Ihr Hauptproblem ist aber nach wie vor der deutsche Bürokratiedschungel. Andreas Irmscher hilft ihnen bei der Bewältigung von Post und Anträgen der verschiedensten Art. Andreas Irmscher: “Dabei geht es um die unterschiedlichsten Themen: z.B. Kindergarten und Schule, Ausbildung und Beruf, Gesundheit, Wohnen, Verbraucherthemen – eben grundsätzlich alles, womit Menschen im Alltag konfrontiert sind. Oft geht es dabei auch um Dinge, die auch für uns Deutsche schon nicht so einfach zu durchschauen sind, diese Problematik wird jeder kennen, der schon einmal einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss oder Elterngeld gestellt hat oder der sich mit dem Kleingedruckten in Verträgen befassen muss.” Rechtliche Dinge spielen dabei immer einer wichtige Rolle und ohne das grundlegende Verständnis dafür, ist es für viele Flüchtlingsfamilien eine unüberwindliche Hürde. Parallel dazu pflegt Andreas Irmscher einen engen Kontakt zu Verwaltungen und Behörden, zu Ärzten oder Schulen, um so unbürokratisch und schnell Lösungen für ein Problem finden zu können. Ein anderer Schwerpunkt ist eher psychologischer Art: “Es geht auch immer darum, die Menschen zur Selbstständigkeit zu motivieren und sie anzuhalten voranzukommen und sich an die Regeln hier zu gewöhnen. Das geht nur, indem sie sich Ziele setzen, aktiv bleiben und lernen, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen sowie sich mit anderen auszutauschen.” Bei seiner Arbeit wird er von einer Vielzahl sehr engagierter Ehrenamtlicher unterstützt. Diese haben sich rund um die Tauchaer Zeittauschbörse organisiert und betreuen unterschiedliche Projekte. Es gibt konkrete Patenschaften. Andere packen spontan mit an, wo Hilfe nötig ist. Der interkulturelle Handarbeitskurs wird mit Leben erfüllt. Weiterhin wird zweimal pro Woche der Deutschunterricht angeboten. Etabliert hat sich inzwischen die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt und das Angebot der Kleiderkammer. Andreas Irmscher: “Ohne diese ehrenamtliche Arbeit, die im Übrigen natürlich nicht allein Flüchtlingen zugute kommt, würde in Taucha sehr viel fehlen.” In der Öffentlichkeit wird gerade in diesen Tagen – nach den Vorfällen in Dresden und Chemnitz – wieder verstärkt das Flüchtlingsthema in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Andreas Irmscher hat auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen eine eigene Sicht auf die Dinge. Besonders zwei Aspekte sind ihm wichtig. Er meint, dass für die bei uns ankommenden Menschen immer zuerst das Prinzip der Humanität gelten sollte. Er begründet das so, dass Menschen, die zu uns kommen, als einzelne Menschen wahrgenommen werden sollten und nicht als abstrakte Gruppe, über die kategorisch gut oder schlecht geurteilt wird. “Das Bedürfnis vieler Menschen ist verständlicherweise oft das nach einfachen und schnellen Antworten, aber die Realität ist eben komplexer, um dem gerecht zu werden.”

Zum Zweiten finde er wichtig zu betonen: “Wir müssen den Menschen, die zu uns kommen, selbstverständlich auch mit einer klaren Erwartungshaltung begegnen, unsere Normen und Regeln zu respektieren.” Und über existierende Probleme und Schwierigkeiten, die durch Zuwanderung entstehen, muss eine sachliche und keine vorschnell generalisierende Auseinandersetzung geführt werden können. Andreas Irmscher kann aus seinen Erfahrungen bestätigen, dass “die Mehrheit der Menschen, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, dankbar, respektvoll und motiviert ist, einen Beitrag für ein gutes Miteinander zu leisten.” Natürlich bedarf das einer gewissen Zeit, aber der Flüchtlingssozialarbeiter stellt auch immer wieder fest, dass Menschen, auch, wenn sie aus ganz unterschiedlichen Kulturen kommen, viele Gemeinsamkeiten haben.

Text: Andreas Bechert
Foto: Stephanie Bechert

Siehe auch unsere Seite “Sozialarbeit/Flüchtlingssozialarbeit”.